probleme von extrovert:innen (stimmt nicht, es war doch nur das adhs)

(Anmerkung der Autorschaft: Dieser Text ist 2020 entstanden. Das war bevor ich herausgefunden habe, dass ich gar nicht extrovertiert bin, sondern einfach nur ADHS habe und eigentlich der introvertierteste Mensch auf dieser Welt bin. Ich belasse ihn zur eigenen und fremden Belustigung trotzdem auf dieser Seite und kommentiere ihn stattdessen ab und zu aus der heutigen Sicht. Ich kommentiere nämlich sehr gerne Dinge.)

Ich weiss nicht, wie es euch so geht, aber: Ich bin eine extrovertierte Person in einer gefühlt introvertierten Welt. Und das, liebe Freund:innen der Musik und guten Unterhaltung, ist nicht nur anstrengend, sondern manchmal eine echte Katatsrophe.

Here’s Why.

1. Keine Action nach Vier

Auf einen anstrengenden Arbeitstag hin folgt im Idealfall eine Runde Entspannung. Das bedeutet: eine gesellige Runde, spannende Gespräche, Bungee Jumping, ein Banküberfall, spontanes Besteigen des Kilimajaro, Weltpolitik.

(Anmerkung der Autorschaft: Gut, daran hat sich nicht wirklich viel geändert...)

So viel zum Idealbild. Die Realität ist nämlich viel ernüchternder. Bungee Jumping und Weltpolitik-Diskussionen scheinen für die gefühlt mehrheitlich introvertierte Menge dort draussen keine Aktivität der Entspannung zu sein. Entsprechend ziehen sie es vor, in Ruhe und Einsamkeit dem wohlverdienten Feierabend zu frönen – zum Leidwesen von extrovertierten Menschen wie mir. Die langweilen sich nämlich in Pseudo-Meditation zum Pseudo-Tode.

(Anmerkung der Autorschaft: C’mon altes Ich, war es wirklich sooooo schlimm? Seriously?)

2. Der Spass hört dort auf, wo es für dich erst richtig anfängt

Gehen wir mal davon aus, dass ein mutiger introvertierter Mensch mit dem ersten Punkt bricht und sich mit dir auf eine gesellige Runde einlässt. Das Problem ist: Nach nur vier Stunden aufregender Diskussion über die Bedeutung des Doppelspaltexperiments für die moderne Phsyik wird die introvertierte Persona sich subtil aus dem lustigen Beisammensein zurückziehen. Vollkommen unverständlich – denn der Spass hat doch erst gerade angefangen!

(Anmerkung der Autorschaft: Ich finde, hier muss man differenzieren: Hat man mit dem Gegenüber gerade eine richtig schöne Verbindung aufgebaut und ist voll im Flow, dann würde ich nach wie vor zustimmen. Sonst nicht. Lange Diskussionen ohne Flow und emotionale Verbindung sind bereichernd und absolut notwendig, aber auf Dauer auch sehr anstrengend und irgendwann echt nicht mehr so spassig. )

3. Bin ich nicht gut genug?

An dieser Stelle muss ich kurz intervenieren: Auch ich brauche Zeit für mich. Manchmal. Dafür habe ich aber meistens einen guten Grund und ein klares Ziel. Mein Tagebuch schreibt sich in Gesellschaft weniger gut. Dieser Text hier ebenfalls. Aber: Davon abgesehen, würde ich niemals gemeinsame Aktivität freiwillig gegen Alleinesein eintauschen. Ausser ich finde dich doof oder bin todmüde.

(Anmerkung der Autorschaft: HAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHA. Sag das mal den Personen, denen ich ständig absage oder gar nicht erst recht zusage, weil ich gerade zum vierten Mal in der Woche ganz dringend Zeit für mich brauche.)

Umso verdächtiger wirkt es auf mich, wenn jemand Zeit für sich braucht, um Dinge zu tun, die kein Tagebuch beinhalten. Weil hallo? Ich bin doch hier? Findest du mich doof oder was?

(Anmerkung der Autorschaft: Ja, gut, okay. Ab und zu hab ich das schon noch. Aber nur ganz selten, wenn ich das Gefühl habe, dass ich gerade für eine Person sofort alles fallen und liegen lassen würde, weil sie mir super wichtig ist und ich gerne Zeit mit ihr verbringen möchte, bei ihr aber immer und immer wieder das Gefühl habe, dass sie total einen Fick auf mich gibt und ihr ständig alles andere wichtiger ist als ich. Das ist dann aber etwas anderes, finde ich. )

4. Traumatische Streetmomente

Hast du mal deine Selbstzweifel überwunden, weil du kapiert hast, dass introvertierte Menschen dich nicht doof finden, sondern einfach etwas anders als du gestrickt sind, kommt schon das nächste Problem. Da tänzelst du voller Freude über dein neues Selbstbewusstsein durch die Strasse und wirst mit lauter skeptischen Blicken überrannt, weil du jeden wildfremden Menschen voller Begeisterung grüsst.

(Anmerkung der Autorschaft: Hahahahahaha, das mach ich immer noch!)

Gut, vielleicht war der versuchte High Five doch etwas zu viel des Guten, aber traumatisch ist diese ungeheure Ablehnung deines Kommunikationwillens trotzdem. Ganz klar.

(Anmerkung der Autorschaft: Nö, ich finds lustig.)

5. Laaaaaaaaangweilig!

Ich kenne extrovertierte Menschen, denen ist nie langweilig. Mir schon. Denn irgendwann ist jede Ecke des Hauses geputzt und jedes Buch auf dem E-Reader gelesen. Und eigentlich wäre das der richtige Moment, um sich mal wieder mit jemandem über den Sinn des Lebens zu unterhalten – aber nein! Die introverierte Liga erholt sich gerade lieber davon. Ohne mich.

(Anmerkung der Autorschaft: Ganz ehrlich? Ich denke nicht, dass das was mit Intoversion zu tun hat. Nähe, Freundschaft, Community sind normale menschliche Grundbedürfnisse.)

6. Die Möbel betreiben Wanderaktivismus

Apropos Hausputz und Langeweile: Als Extrovertin benötige ich immer wieder neuen Input von Aussen, um nicht durch die Decke zu gehen. Immer das Gleiche sehen? Geht gar nicht! Deshalb müssen auch die Möbel & Co. alle drei Wochen sich auf eine Wanderung zum anderen Ende der Wohnung begeben.

(Anmerkung der Autorschaft: Alle drei Wochen ist übertrieben. Alle fünf reicht auch.)

Weil: Eine schöne Wohnung ist toll. Eine soeben umgestellte und umdekorierte Wohnung ist noch besser – zum Leidwesen des introvertierten Volkes. Die können nämlich absolut nicht nachvollziehen, wieso der Sessel jetzt zur Hölle rechts statt links neben dem Sofa stehen muss.

(Anmerkung der Autorschaft: Ja man, heb d Schnurre, es isch nur en verfickte Sessel, luegsch lieber das dini politischi Istellig ned plötzlich rechts statt links staht..)

7. Schlafen ist langweilig

Weil: Es gibt so viele tolle Dinge, die man stattdessen machen könnte. Zum Beispiel über Quantenphysik diskutieren. Versteht mich nicht falsch: Schlafen kann schon sinnvoll sein. Und ist auch grundsätzlich keine besonders schlechte Idee. Aber es ist eine langweilige, zeitraubende Tätigkeit ohne Möbelwanderaktivismus und Bungee Jumping.

(Anmerkung der Autorschaft: Sorry, aber, was sell de Seich??? Ich liebe Schlaf!!!!!)

Umso verständlicher ist es, dass mein Bedürfnis nach aufregenden Diskusionen, Menschen und Gesprächen nach dem Aufstehen am grössten ist. Weil: Ich hatte acht Stunden keine Gelegenheit dazu. Nachholbedarf, ahoi! Die introvertieren Personen am Tisch brauchen allerdings erstmal ein Stündchen Kaffee- und Ruhezeit, bevor sie in einem diskusionstauglichen Zustand sind. Und die Tatsache, dass die Kaffeetassen über Nacht spontan ihren Platz gewechselt haben, macht es nicht besser.

(Anmerkung der Autorschaft: Hallo, i bims, die Person, die mindestens eine Stunde Aufwachzeit und drei Tassen Koffein braucht, bevor sie in der Lage ist eine vernünftige Konversation zu führen.)

Ach.

Leben.

(Anmerkung der Autorschaft: Jawohl. Da bin ich absolut bei dir, altes Ich. Ach. Leben.)